Jahresrückblick

Rede im Stadtrat

Von Louisa Hübner –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, 

sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich darf heute zum dritten und vermutlich letzten Mal als jüngste Stadträtin das Jahr Revue passieren lassen. Wenn ich auf meine ersten Reden hier zurückblicke, 2020 und 2022, dachte ich damals: „verrückte Zeiten. Es kann ja bitte nur besser werden.“ Doch das Jahr 2024 hat erneut bewiesen, dass die Herausforderungen nicht weniger werden.

Beginnen wir mit einem globalen Blick:

Der Krieg im Nahen Osten ist eine Katastrophe. Die Israelis haben unglaubliches Leid erfahren, als die Hamas in ihr Land eingefallen ist und gerade kann man das Leid, dass die Menschen in Gasa tagtäglich erleben müssen, nicht ertragen. Amnesty International wirft Israel Völkermord an den Palästinenser: innen vor. Wir hier vor Ort blicken hilflos auf den Konflikt und können nur mit allen Kräften versuchen dagegen anzukämpfen, dass der Antisemitismus gegen unsere jüdischen Mitbürger:innen und der Hass gegen unsere islamisch gläubigen Mitbürger:innen weiter wächst. 

Ebenso geht der furchtbare Krieg in der Ukraine weiter und das Leid nimmt auch dort kein Ende. Wir sehen Proteste in Georgien, die mit brutaler Gewalt niedergeschlagen werden – Menschen riskieren ihr Leben für das, was wir hier als selbstverständlich ansehen.

In Syrien hat der Sturz von Assad zwar Hoffnungen geweckt, doch zugleich eine neue Welle der Unsicherheit ausgelöst. Konflikte und humanitäre Krisen wie im Sudan, in Niger und Myanmar oder die katastrophalen Folgen der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan lassen uns sprachlos zurück. Menschenrechte, besonders Rechte für Minderheiten, Frauen und Kinder, werden mit Füßen getreten. Die Befürchtung, weltweit beim Thema Menschenrechte Schritte rückwärtszugehen, ist definitiv in diesem Jahr weiter angestiegen. Besonders, seit das mächtigste Land der Welt erneut einen Verbrecher zum Präsidenten gewählt hat. Und das nicht obwohl sondern vermutlich gerade deshalb, weil er einen unglaublich hetzerischen Wahlkampf geführt hat. Eine weltoffene, intelligente Frau verliert gegen einen alten, rechtsextremen Demagogen. Die Wahl Trumps bereitet mir persönlich viele Sorgen und lässt meine Hoffnung auf eine gute Zukunft und eine solidarische, friedliche Welt weiter sinken. Unsere Demokratie brennt und wir löschen den Großbrand mit Wassereimern, obwohl wir doch eine gut organisierte Rettungsleitstelle dafür bräuchten.

Auch in Europa bleibt die Lage angespannt. In Österreich sehen wir einen massiven Rechtsruck – ein mahnendes Beispiel, wie schnell sich der politische Diskurs verschieben kann. Auch ohne Ampel und Waffenlieferungen für die Ukraine haben es unsere Nachbarn geschafft, dass Rechte ihr menschenverachtendes Gedankengut weiter in die Mitte der Gesellschaft gerückt haben. Dabei wird der Einfluss der Fake-news aus Russland auf unsere Sozialen Netzwerke unglaublich unterschätzt. Währenddessen hat Frankreich erneut bewiesen, wie politische Instabilität durch Haushaltskrisen befeuert wird. 

Bei all diesen Ereignissen bleibt unser Auftrag, die Demokratie zu schützen und gegen rechts geschlossen aufzutreten, oberste Priorität.

Deutschland: Ein Land der Herausforderungen

In Deutschland bereitet mir besonders Sorge, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiterwächst. Während die 249 Milliardär:innen unseres Landes ihren Reichtum mehren, leben über 14 Millionen Menschen in Armut. Unser politischer Diskurs lenkt dabei oft ab: Statt über gerechtere Besteuerung von Superreichen und höhere Löhne (besonders im Niedriglohnsektor) zu sprechen, wird Stimmung gegen Bürgergeldempfänger: innen gemacht. Statt die Chancen von Zuwanderung für unseren Arbeitsmarkt und damit auch unsere Wohlstandsicherung zu sehen, wird Stimmung gegen Geflüchtete gemacht. Doch wir müssen uns bewusst machen: Ohne Zuwanderung wird unsere Wirtschaft nicht bestehen können. Wir brauchen so dringend mehr Menschen in der Pflege und Kinderbetreuung. Schon heute ist fast jede:r dritte Mensch in Deutschland Migrant:in oder hat einen Migrationshintergrund – Diese Menschen sind die Basis unseres Wohlstands der letzten Jahrzehnte.

Auch die politische Landschaft gibt Anlass zur Sorge. Die Auflösung der Ampelregierung, die anstehenden Neuwahlen im Februar und die immer stärkere Verschiebung des Diskurses nach rechts lassen mich besonders an die junge Generation denken. Als angehende Sozialwissenschaftlerin machen mich die neusten Umfragewerte oft nachdenklich. Ich wünsche mir mehr Investitionen in politische Bildungsarbeit. Viel Wut und Politikverdrossenheit könnte verhindert werden, wenn besser kommunziert werden würde, was der Staat und auch der Stadtrat überhaupt leisten kann und darf. Nur zwanzig Prozent meiner Altersklasse (der 16- bis 30-Jährigen) glauben, dass ihr Engagement einen Unterschied macht. Achtzig Prozent glauben das nicht. Hier sehe ich zugleich große Herausforderungen wie ebenso großes Potenzial für uns in der Kommunalpolitik, den jungen Menschen zu zeigen, dass ihre Stimme zählt. Deshalb ist es besonders wichtig, die Ideen aus den Bürgerversammlungen und von Bürgerentscheiden ernst zu nehmen und hartnäckig zu verfolgen.

Bayreuth: Eine Stadt mit Potenzialen

In unserer Stadt hat sich 2024 einiges getan. Es gab Veranstaltungen wie das Sommernachtsfest, das Bürgerfest, Unicat und das Seebühnenfestival. Im Januar organisierte Bunt statt Braun eine Demo gegen Rechts, die Arbeiterwohlfahrt feiert hundertsten Geburtstag, unser Stadtarchiv hatte im Mai sein Richtfest, die Gewog wurde 75 Jahre alt und das Forum 1.5 hat seinen wohl verdienten Umweltpreis erhalten. Zudem dürfen wir uns seit April stolz Fairtrade Town nennen – ein großer Verdienst von Klaus und Andi. Sehr erfreulich ist auch die Entscheidung des Stadtrats, unseren Tagesmüttern mehr Urlaub zu gewähren. Und der Sozialpreis für die Tafel, die dieses Jahr ihren 20. Geburtstag feierte, zeigt besonders, wie wichtig ehrenamtliches Engagement vor Ort ist.

Doch auch hier stoßen wir immer wieder an Grenzen. Die deutschlandweiten und bayernweiten Einsparungen besonders im Bereich Bildung, Gesundheit und Sozialem schmerzen – das merken wir in fast jeder einzelnen Sitzung des Bayreuther Stadtrats. Wir diskutieren in Deutschland zu oft, wo gespart werden soll, anstatt mutig für eine bessere Zukunft zu investieren. Ich persönlich wünsche mir eine Reform der Schuldenbremse, denn ein durchweg marodes Dach kann man nicht flicken, da hilft es nur, in ein neues Dach zu investieren, selbst wenn man dafür mal einen Kredit aufnehmen muss, der weh tut. Wenn es reinregnet und das ganze Haus deshalb kaputt geht, hat man am Ende Garnichts davon. Wir in Bayreuth können leider wenig ausrichten, wenn uns die Gelder immer und immer mehr gekürzt werden und es ist sehr ermüdend andauernd bei kreativen Ideen und Verbesserungen gestoppt zu werden, weil nur noch gespart werden muss.

Solidarität und Verantwortung stärken

Was mir besonders Sorge bereitet ist auch, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt immer mehr bröckelt. Hass gegen Zuwanderung und rechte Hetze nehmen zu. Gleichzeitig erleben wir eine Normalisierung rechtsextremen Gedankenguts – ein Schritt, den wir nicht noch einmal zulassen dürfen. Ich unterrichte Geschichte und jedes Mal fallen allen meinen Kursteilnehmer: innen die Parallelen der Nazigeschichte zu unserer heutigen Zeit auf. 75 Jahre Grundgesetz sind hart erkämpft und der Erhalt und Schutz wird es auch weiterhin bleiben. Es macht mich nachdenklich, wie selbst in meinem Umfeld immer mehr Menschen offen und freundlich rechtsextremen Personen gegenüber auftreten. Gleichzeitig kenne ich viel zu viele Menschen, die sich auch in Bayreuth aus Angst vor Gewalt von Rechts nicht mehr trauen Wahlkampf für ihre demokratische Partei zu machen. Ich kenne auch viel zu viele Menschen, die diese Gewalt und den Hass schon erlebt haben. Mich und einige Kollegen eingeschlossen. 

Hier im Stadtrat freue ich mich darüber, dass wir gegen rechts als Fraktionen bisher geschlossen zusammengehalten haben. Dieser Zusammenhalt muss uns weiterhin ein Vorbild für die Zukunft sein. Nur als Einheit können wir die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen.

Ein Ausblick

Das Jahr 2024 war geprägt von Herausforderungen: politischer Instabilität, Konflikten, Kriegen und humanitären Krisen, die in Zukunft durch die Klimakrise wohl noch weiter ansteigen werden. Dieses Jahr hat wieder einmal gezeigt, wie wichtig Solidarität und Mut sind. Für 2025 wünsche ich mir, dass wir noch mutiger und entschlossener handeln – sei es bei der sozialen Gerechtigkeit, beim Klimaschutz, oder bei politischer Bildungsarbeit. Wir müssen noch mehr zuhören, einander auf Augenhöhe begegnen und die Menschen in unserer Stadt stärker einbinden.

Mit diesem Appell möchte ich meine Rede beschließen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen und Ihren Lieben eine besinnliche Weihnachtszeit und alles Gute – vor allem Gesundheit – für das neue Jahr.

Vielen Dank.